Generationenfonds

Gedankenspiel zur finanziellen Stabilisierung des Rentensystems

Dieser Text ist ausdrücklich als ein Gedankenspiel zu verstehen und will noch keine politische Forderung sein. Der Streit der großen Koalition um die „Rentengarantie“ hat das schwelende Problem der gesetzlichen Rente und ihrer langfristigen Finanzierung wieder ins Bewusstsein gerückt. Ich denke hier über die Schaffung eines Staatsfonds nach, um das gesetzliche Rentensystem für zukünftige Generationen zu sichern. Gespeist werden könnte er aus den Einnahmen einer reformierten Erbschaftssteuer, um gleichzeitig ein Moment des sozialen Ausgleichs zu schaffen.

Das Problem: Wie lässt sich die gesetzliche Rente langfristig finanzieren?

Wegen der guten Konjunktur ist die Finanzierung der Rente im Augenblick kein drängendes politisches Problem. Im Gegenteil: Sprudelnde Beitragseinnahmen ermöglichten Leistungsausweitungen, mit denen Gerechtigkeitslücken geschlossen werden sollen („Mütterrente“ – besser: „Erziehungsrente“). Gleichwohl zeigt der Streit um den SPD-Vorstoß für eine „Rentengarantie“, dass das bestehende Finanzierungsproblem der gesetzlichen Rente allenfalls aufgeschoben ist.

Die gesetzliche Rente ist in Deutschland umlagefinanziert, d.h. die aktuellen Beitragszahler*innen zahlen die Renten der aktuellen Rentner*innen. Dieses System hat den großen Vorteil relativer (Finanzmarkt-)Krisenfestigkeit – im Unterschied zu rein kapitalgedeckten Verfahren. Anfällig ist das System vor allem für demographische Effekte und Krisen des Arbeitsmarkts (z.B. durch technologischen Wandel). Durch den demographischen Wandel müssen immer weniger Beitragszahler*innen für die Renten von immer mehr Rentner*innen aufkommen. Also werden bei schrumpfender Bevölkerung – ohne Eingriffe in das System – die Beiträge steigen oder die gesetzlichen Renten sinken.

Die Antwort darauf bestand eine Zeit lang im Aufbau privater, kapitalgedeckter Altersvorsorge. Die Idee der Kapitaldeckung – also der Finanzierung der Altersversorgung aus angespartem Vermögen und dessen Erträgen – hat den Vorteil größerer Demographie- und Arbeitsmarktfestigkeit. Sie ist auf der anderen Seite – vor allem bei unzureichender Streuung und kurzfristiger Anlagestrategie – anfällig für Kapitalmarktkrisen. Kapitaldeckung war auch die Idee hinter der Einführung der Riesterrente – diese kann allerdings als eher gescheitert gelten. Zu bürokratisch, zu teuer. Aber das grundsätzlichere Problem: Gerade Geringverdienende, die einen zusätzliche Rente besonders nötig hätten, haben schlicht und einfach nicht ausreichend Geld am Monatsende übrig, um in nennenswertem Umfang etwas für das Alter zurückzulegen. Auch für die Mittelschicht bedeutet der Aufbau einer privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge, dass sie in der Gegenwart weitere Mittel zurücklegen müssen. Ein Systemwechsel zu individueller Kapitaldeckung verschärft das Problem der sozialen Spaltung im Alter eher.

Ein gangbarerer Weg sind schon eher Steuerzuschüsse, die die gesetzliche Rente stärken. Sie haben Gerechtigkeitsvorteile, da Steuern oft progressiv ausgestaltet sind und auch Kapitalerträge erfassen. Schon heute ist absehbar, dass der Zuschuss zur Rente aus dem Bundeshaushalt über die Marke von 100 Milliarden Euro im Jahr steigen wird. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt hat 2018 ein Volumen von rund 350 Milliarden Euro. Der Spielraum bei den Steuerzuschüssen ist also endlich.

Vorbild Norwegischer Pensionsfonds

Es liegt also durchaus nahe, den Gedanken hinter der Riester-Rente wieder aufzugreifen. Der Irrtum lag meines Erachtens darin, den Aufbau der Kapitaldeckung individuell zu organisieren. Eine Alternative wäre daher eine kollektive kapitalgedeckte Säule der Altersvorsorge in Form eines Staatsfonds, dessen Erträge in das System der gesetzlichen Rente fließen. Vorbild ist der norwegische Staatsfonds.

Der norwegische Pensionsfonds speist sich u.a. aus den Öleinnahmen des Landes, verwaltet rund 877 Milliarden Euro, erwirtschaftet im langjährigen Durchschnitt eine Rendite von rund 6 Prozent und richtet sich nach ethischen Anlagekriterien. Eine plausible langfristige Zielmarke für einen solchen „Generationenfonds“ in Deutschland wäre die Marke von 2 Billionen Euro. Ein Fonds in diesem Volumen würde im Jahr mit einiger Wahrscheinlichkeit Erträge in Höhe von 100 Milliarden erwirtschaften und die gesetzliche Rente stabilisieren. Der Aufbau eines solches Fonds würde eine erhebliche Kraftanstrengung bedeuten, sollte aber angesichts der rund achtmal so hohen Wirtschaftsleistung Deutschlands im Vergleich zu Norwegen im Bereich des Möglichen sein. Spürbare Effekte wären allerdings wohl auch mit deutlich geringerem Volumen erreichbar.

Finanzierung

Der Aufbau eines Staatsfonds wäre wie gesagt ein Kraftakt, da hierfür Steuereinnahmen in beträchtlichem Umfang „zurückgelegt“ werden müssten. Soll der Aufbau über einen Zeitraum von 30 Jahren erfolgen, würde bei voller Thesaurierung unter Nutzung der Zinseszinseffekte ein jährlicher Betrag von 35 Milliarden Euro (i=5%) mit Sicherheitsmarge ausreichen (rechnerisch reichen 28,7 Mrd. Euro). Sollen die Erträge zwischenzeitlich schon der Rente zufließen, wären nach einfacher Rechnung 67 Milliarden pro Jahr erforderlich.

Hierzu wäre es sicherlich sinnvoll, den bisherigen Steuerzuschuss zur Rente nicht als Festbetrag sondern variabel auszugestalten. In konjunkturell guten Jahren könnten die nicht benötigten Steuerzuschüsse stattdessen dem Generationenfonds zufließen. Da diese Mittel kaum ausreichen würde, wären weitere Finanzquellen erforderlich. Denkbar wäre eines Sonderabgabe ähnlich dem Solidaritätszuschlag. Der Soli erbringt allerdings nur eine Größenordnung von rund 17 Milliarden Euro im Jahr – eine Sonderabgabe müsste also etwa doppelt so hoch ausfallen. Als Weg durchaus gangbar.

Eine attraktivere Option zur Finanzierung eines Generationenfonds sehe ich in der gleichmäßigen Heranziehung großer Vermögen durch eine reformierte Erschaftssteuer. Dies hätte den systematischen Reiz, dass hier privates Vermögen in öffentliches Vermögen umgewandelt würde und nicht einfach „verbraucht“. Außerdem würde hinsichtlich des Vorsorgecharakters von Vermögen ein Instrument des sozialen Ausgleichs installiert. In Deutschland herrscht eine besonders große Ungleichheit der Vermögensverteilung (Gini-Koeffizient von 0,78) – was hinsichtlich der Altersvorsorge umso schwerer wiegt, als hohe Vermögen stark mit hohen Einkommen korrelieren.

Steuersystematisch ist die Erbschafts- und Schenkungssteuer das Instrument der Wahl zu Heranziehung dieser Vermögen , kann doch ein Erbe als leistungsloses Einkommen des Erbenden betrachtet werden. Laut Statistischem Bundesamt werden in Deutschland pro Jahr Vermögen in Höhe von über 100 Milliarden Euro verschenkt und vererbt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt die Summe allerdings auf die vierfache Höhe. Vor diesem Hintergrund ist es schwer verständlich, aus welchem Grund das Aufkommen der Erbschafts- und Schenkungssteuer bei nur knapp sieben Milliarden Euro liegt. Erbschaften werden damit deutlich niedriger besteuert als Einkünfte aus Kapitalvermögen (25 Prozent) oder gar Einkünfte aus Arbeit. Der Grund sind zu großzügige Freibetrags- und Verschonungsregelungen, von denen vor allem die Erbenden großer Vermögen profitieren. Würde es gelingen, die Bemessungsgrundlage zu verbreitern und sich der Gleichbehandlung mit Kapitalerträgen auch nur anzunähern, wäre es durchaus möglich, das erforderliche Steueraufkommen zu erreichen. (Eine Schwierigkeit bestünde darin, dass die Erbschaftssteuer derzeit eine Ländersteuer ist – hier müsste Ersatz geschaffen werden. Vielleicht ist diese Tatsache aber auch ein Grund dafür, dass der Bund das Thema bisher eher stiefmütterlich behandelt.)

Die dafür nötigen Reformanstrenungen sind der Sache nach seit langem bekannt: Stärkere Progression des Steuertarifs auch für leibliche Nachfahren, Gleichbehandlung aller Vermögensarten in Verbindung mit Stundungs- und Ratenzahlungsregelungen, um Immobilien- und Unternehmensvermögen zu erhalten; Einführung eines – nicht zu niedrig anzusetzenden – Freibetrags, der allerdings nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden kann; Streichung der meisten Ausnahmetatbestände. Man müsste es nur wollen.

Alternative zur Bürger*innenversicherung?

Ein solcher Generationenfonds ist nicht als systemische Alternative zum Konzept einer „Bürgerversicherung“ zu verstehen. Eine Bürger*innenversicherung bedeutet zunächst einmal die Verbreiterung der Versicherungspflicht insbesondere auf Selbstständige und Beamt*innen. Das löst bestimmte Probleme wie zum Beispiel das der Altersvorsorge für Selbstständige. Es trägt aber für sich genommen nicht zur Lösung der Finanzierungsproblematik bei. Denn: In Deutschland gilt bisher bei der Rente das Äquivalenzprinzip, d.h. die erhaltene Versicherungsleistung steht in einem festen Verhältnis zu den eingezahlten Beiträgen. Wenn also mehr Personen beitragspflichtig sind, steigt die Leistungspflicht im gleichen Umfang.

Einen stärkeren sozialen Ausgleich brächte eine systemische Umstellung mit einem Abschied von Beitragsbemessungsgrenze und Äquivalenzprinzip. Es würden also alle Arbeitseinkommen der Beitragspflicht unterliegen, wobei der Rentenanspruch nur unterproportional steigen würde. Dadurch würden faktisch hohe Einkommen einen Beitrag zur Finanzierung der Renten von Geringverdiener*innen leisten. Dadurch würde der Effekt gemindert, dass durch ein allgemein sinkendes Rentenniveau gerade Geringverdienende im Alter unter die Armutsschwelle fallen. Für das eigentliche Finanzierungsproblem der Rente, das mutmaßlich viel stärker auch die Mittelschicht betrifft, dürfte eine solche Reform weniger austragen.

Für den ebenfalls gängigen Vorschlag einer Erhöhung der Lebensarbeitszeit gilt: Sie fängt die Verschiebung von Einzahlungszeitspanne und Leistungsspanne durch eine höhere Lebenserwartung auf. Insofern trägt sie durchaus zur Lösung der Finanzierungsproblematik bei. Das Problem unterschiedlich großer Alterskohorten adressiert sie nicht, wenn man nich die Lebensarbeitszeit stärker steigen lässt als die Lebenserwartung. Keine attraktive Vorstellung.

Es bleibt dabei: Bei durch Demographie sinkenden Beitragseinnahmen und steigenden Rentenausgaben muss irgendwoher mehr Geld ins System.

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