Chance für mehr GRÜNE Eigenständigkeit

Gedanken zur Landtagswahl Niedersachsen 2017

In Niedersachsen wird es zu einer Großen Koalition kommen. Das ist keine gute Nachricht fürs Land, fürs Klima und für die Nutztiere. Für die GRÜNEN könnte es aber durchaus eine Chance sein. Sie haben bei der Landtagswahl fünf Prozentpunkte oder rund ein Drittel ihrer Wählerstimmen eingebüßt. Das ist nicht eben ein Regierungsauftrag. Für die GRÜNEN könnte es aber die Möglichkeit sein sein, als Oppositionsführung eine größere Eigenständigkeit insbesondere gegenüber der SPD zu entwickeln – und damit die Möglichkeit für eine mittelfristig deutlich stärkere Position eröffnen.

Kurzfristige und taktische Gründe stehen klar im Hintergrund

Zunächst zur Analyse des Wahlergebnisses. Wie nach jedem Wahlausgang gibt es eine Vielzahl an denkbaren Erklärungsansätzen, die oft an der Ausgangslage oder kurzfristigen, eher taktischen Aspekten orientiert sind: Das Duell um den Posten des Ministerpräsidenten zwischen SPD und CDU habe Aufmerksamkeit von den GRÜNEN abgezogen. Oder: Viele GRÜNEN-Nahe wollten der Linkspartei über die Fünf-Prozent-Hürde und in eine Rote-grün-rote Koalition verhelfen. Oder: Die Positionierung der GRÜNEN vor der Wahl sei zu links gewesen. Oder in die andere Richtung: Die anstehenden Sondierungen über eine Jamaika-Regierung auf Bundesebene hätten den GRÜNEN in Niedersachsen geschadet.

Die Erklärungskraft solcher Ansätze sollte jedoch nicht überschätzt werden: Für 60 Prozent der Menschen standen landespolitische Themen klar im Vordergrund, bundesweit zeigten die Umfragen für die GRÜNEN nach der Bundestagswahl eher nach oben und vor allem: Das Ergebnis der Landtagswahl lag sowohl im Rahmen der Umfrageentwicklung in Niedersachsen seit Mai 2017 als auch in dem Bereich der letzten Wahlergebnisse (Bundestag am 24.9.17 – 8,7%, Kommunal am 11.9.16 – 10,9%).

Kurz: Vieles spricht dafür, die Ursachen für das Wahlergebnis vor allem in den viereinhalb Jahren der Regierungsbeteiligung zu suchen – weniger in den drei Wochen des Wahlkampfs. Im Unterschied beispielsweise zu Schleswig-Holstein ist es in dieser Zeit nicht gelungen, aus dem GRÜNEN Höhenflug 2013 dauerhaft Honig zu saugen.

Auf die Stammklientel zurückgeworfen

Als gesichert kann gelten, dass die GRÜNEN in Niedersachsen im Großen und Ganzen auf ihr enges Wählerpotenzial zurückgeworfen wurden, das etwa bei 9% liegen dürfte. Das legt auch eine Betrachtung der Wanderungsbewegungen nahe, die nach der Wahl von Infratest dimap erhoben wurden (Grafik: Zeit Online):

Wanderungsbewegungen Niedersachsen: GRÜNE Verluste an andere Parteien
Wanderungsbewegungen Niedersachse: GRÜNE Zugewinne von anderen Parteien

Die GRÜNEN haben haben in alle Richtungen Stimmen abgegeben, vor allem an die SPD – aber auch an die Linkspartei. Die Zugewinne von anderen Parteien fielen im Vergleich zur Bundestagswahl vor allem gegenüber der SPD gering aus. Ein großer Teil der verblieben Stimmen (die Prozentzahl in der Grafik stimmt leider nicht) stammt von jenen, die die GRÜNEN auch schon 2013 gewählt haben. Unter dem Strich stehen hohe Wanderungsverlusten vor allem gegenüber SPD und (in geringerem Ausmaß) Linkspartei. Die GRÜNEN haben innerhalb des rot-grün(-roten) Lagers verloren.

Saldierte Wanderungszahlen Niedersachsen

Die Stellung der GRÜNEN im rot-grünen Lager

Die Entwicklung ist erklärungsbedürftig, da grundsätzlich eine hohe Zufriedenheit mit der Landesregierung herrschte und auch die GRÜNEN vergleichbar gut abschnitten wie z.B. die GRÜNEN in Schleswig-Holstein. Es ist jedoch vor allem der SPD gelungen, die Zufriedenheit mit der rot-grünen Landesregierung auf ihr Konto zu verbuchen. Möglicher Erklärungsansatz: Die Sozialdemokraten waren für viele Niedersächsinnen und Niedersachsen die „eigentliche“ Regierungspartei. Das hat sich schon in den Vorwahlbefragungen angedeutet: Außerhalb ihrer erklärten Kernthemen wurde der Partei – entgegen der berechtigten Selbstwahrnehmung – nur geringe Problemlösungskompetenz zugeschrieben. Auch bei der allgemeinen Problemlösungskompetenz schnitten die GRÜNEN ausgesprochen schwach ab.

Niedersachsentrend September 2017 II: Kaum Kompetenzzuschreibungen außerhalb grüner Kernthemen

Die in solchen Kompetenzwerten ausgedrückte Wahrnehmung entsprach durchaus der öffentlichen Schwerpunktsetzung der Partei innerhalb der rot-grünen Regierung. Mit Umwelt- und Landwirtschaftsministerium konzentrierten sich die GRÜNEN auf ihre Kernthemen. Die übrigen Ressorts (Wissenschaft und Justiz) bleiben außerhalb von Fachkreisen üblicherweise im Hintergrund. Ein zuvor vereinbartes starkes Ressort-Prinzip beschränkte zudem den Einfluss auf SPD-geführte Ministerien. Während der Regierungszeit stellten sich die GRÜNEN oftmals vor die SPD und verteidigten die gemeinsame Regierungsarbeit. Dies gilt auch für durchaus problematische Politikfelder wie die Schulpolitik oder die Aufarbeitung des VW-Skandals, wo Absetzbewegungen möglich gewesen wäre. Umgekehrt hat sich die SPD beispielsweise nicht erkennbar vor die gemeinsam getragene Landwirtschaftspolitik gestellt. Das Schlüsselprojekt Landesraumordnungsprogramm mit starken ökologischen Komponenten konnte nicht durchgesetzt werden. Kurz: Die GRÜNEN traten nach außen als Fachpolitiker innerhalb eines geschlossenen rot-grünen Lagers auf. Die Richtlinien der Politik gab die SPD vor.

Inwiefern man in einer solchen politischen Konzentration eine Ursache für den Wahlausgang sehen kann, zeigt eine weitere Umfrage aus dem September 2017: Umweltschutz und Landwirtschaftspolitik wurden nur von jeweils vier Prozent der niedersächsischen WählerInnen unter die wichtigsten Probleme des Landes gezählt.

Niedersachsentrend September 2017 I: Kaum Problemwahrnehmungen bei grünen Kernthemen

 

Unter dem Strich: Die GRÜNEN haben sich in den letzten viereinhalb Jahren in der öffentlichen Schwerpunktsetzung – weniger programmatisch – auf ihre traditionellen Kernthemen konzentriert. Diese Themen sah aber nur ein kleiner Teil der Wahlberechtigten als zentrale Probleme der Landespolitik an. Für die anderen fehlte damit ein überzeugender Grund, die GRÜNEN anstatt der SPD (oder der Linkspartei) zu wählen.

Damit lag das theoretische Potenzial der GRÜNEN vor allem bei jenen wenigen, die bei diesen Themen einen Handlungsbedarf sehen, bei jenen mit traditioneller Parteibindung und bei ErstwählerInnen, bei denen die Partei – wohl auch wegen ihres Erscheinungsbildes – immer noch stark ist. Dieses Potenzial dürften die GRÜNEN abgerufen haben. Rot-Grüne WechselwählerInnen hingegen haben eher die Partei des „soliden Regierens“ gewählt.

Ausblick: GroKo als Chance für mehr GRÜNE Eigenständigkeit

Grundsätzlich sollte es Ziel der GRÜNEN sein, ihre politische Stellung innerhalb des rot-grünen Lagers zu stärken, um die Chance zu verbessern, ihr Programm in Regierungshandeln zu übersetzen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür scheint es zu sein, dass sie als eigenständige politische Kraft deutlicher wahrgenommen werden. Wenn sie sich auf ihre traditionellen Themen beschränken und in der öffentlichen Wahrnehmung im Übrigen die SPD stützen, werden sie aus eigener Kraft nicht über ihr Kernpotenzial aus Milieu-WählerInnen und ökologisch Orientierten hinausgreifen können.

In diesem Sinn könnte die Rolle als Oppositionsführung für die niedersächsischen GRÜNEN auch eine Chance darstellen. Sie zwingt die Partei, sich öffentlich kritisch mit einer SPD-geführten Landesregierung auseinanderzusetzen. Es wird allerdings nicht ausreichen, jeweils nur die ökologischen Defizite und ein „zu-spät-und-zu-wenig“ zu kritisieren. Eigene Lösungsansätze sind gefragt.

Die Kommunalwahl 2016

Einige unbewiesene Thesen zur Diskussionsanregung

Manchmal braucht es einen Schuss vor den Bug, bis man merkt, dass man in die falsche Richtung fährt. Bei der Kommunalwahl am 11. September 2016 haben wir GRÜNE im Landkreis Göttingen 12,8% der Stimmen bekommen und damit 4,5 Prozentpunkte gegenüber unserer historisch besten Wahl im Jahr 2011 verloren. Damit liegen wir noch im Landesschnitt. Trotzdem sind viele unserer Mitglieder nicht zufrieden mit dem Ergebnis – immerhin haben wir einen großen Teil der Stimmzuwächse des historischen Fukushima-Ergebnis wieder eingebüßt. Unser Potenzial liegt also höher.

Am 19. November haben wir im Grünen Zentrum auf einem Workshop den Blick nach vorn gerichtet: Welche Schlussfolgerungen ziehen wir aus dem Wahlergebnis? Und was werden wir in den kommenden Jahren besser machen? Ich habe einige persönlichen Erkenntnisse aus diesem Workshop – und die Ergebnisse aus meiner Beschäftigung mit dem Wahlergebnis davor – mal zu sieben vollkommen subjektiven, vollkommen unbewiesenen Thesen zur Diskussion destilliert:

1. Die politische Rolle der GRÜNEN hat sich gewandelt

Dass uns heute der Vorwurf der moralischen Überheblichkeit ereilt, mutet mit Blick auf die Haltung der Anfangstage etwas seltsam an. Am Anfang ihrer politischen Geschichte waren die GRÜNEN eine Protest- und Oppositionspartei. Damals genügte es, eine bestimmte Haltung und Einstellung mit dem Duktus des höheren politischen Moral zu vertreten, um politischen Erfolg zu haben. Spätestens 1998 wurden wir aber zu einer Regierungspartei, die ihr Anliegen in praktische Politik umsetzten. Wir haben gelernt und verinnerlicht, in der Politik praktische Kompromisse zu schließen und pragmatisch zu agieren. Als kleiner Regierungspartner, „Kellner“, waren wir allerdings von der Notwendigkeit befreit, um gesellschaftliche Mehrheiten für unsere Politik ringen zu müssen. Das war und ist das traditionelle Metier der so genannten „Volksparteien“ – denen es freilich immer weniger gelingt.

Seit unserem Wahlsieg 2011 und u.a. dem Einzug in die Baden-Württembergische Staatskanzlei hat sich etwas an dem Anspruch an unsere Politik geändert – ob uns das gefällt oder nicht. GRÜNE sollen nicht mehr nur ihre politischen Inhalte in praktische Politik umsetzen sondern um gesellschaftliche Mehrheiten für ihre Politik ringen. Von ihnen wird nicht mehr nur eine überzeugende Umwelt-, Sozial und Menschenrechtspolitik erwartet – sondern ein politischer Gesamtentwurf, der nicht nur auf ihre eigene Perspektive zielt sondern die unterschiedlichen Perspektiven einer komplexer gewordenen Gesellschaft im Blick hat. Und wenn sie diese Erwartungen enttäuschen, bekommen sie die Quittung – zumal sie als mittelgroße Partei unter schärferer Beobachtung des politischen Gegners stehen. Man kann darin einen Verlust der Unschuld der Jugendtage sehen und es als Etablierung beklagen – oder man sieht darin einen sehr, sehr demokratischen Vorgang.

2. Intakte Ortsverbände führen zu guten Wahlergebnissen

Eine zunächst sehr banal Erkenntnis der Wahlauswertung: Starke und aktive Ortsverbände haben einen unmittelbar positiven Einfluss auf das Wahlergebnis. Gegen die gelegentlich zu hörende These, gewählt werde sowieso nach Bundestrend, sprechen die großen Unterschiede in den Entwicklungen einzelner Wahlbereiche. Im Kontext der These von unserer neuen kommunikativen Aufgabe legt sich nahe: Präsente und aktive Ortsverbände führen zu guten Wahlergebnissen, weil durch sie die Partei in den Orten verankert ist, weil sie einen großen Beitrag zu praktischen Vermittlung GRÜNER Politik leisten.

Für den Kreisverband bedeutet das, dass insbesondere außerhalb der Wahlkampfzeit eine seiner Aufgaben ist, die Ortsverbände in ihrer politischen Arbeit zu unterstützen. Dabei steht die Unterstützung lebendigen Parteilebens im Zentrum, aber auch die Unterstützung bei der Lösung von Konflikten oder z.B. der Gestaltung des Generationenwechsels.

3. Mobilisierung entscheidet Wahlen – Dialog bestimmt Politik

Die SPD hat bei den vergangenen Wahlen in Göttingen stark von einer gestiegenen Wahlbeteiligung profitiert und damit gezeigt: Kommunalwahlen werden – mehr noch als andere Wahlen – durch Mobilisierung entschieden. Das bedeutet für uns, dass wir in zukünftigen Wahlkämpfen nicht in erster Linie versuchen sollten, Menschen aus anderen politischen Lagern zu überzeugen. In der zugespitzten Situation des Wahlkampfs geht es in erster Linie darum, den eigenen AnhängerInnen und SympathisantInnen einen Grund zu geben, am Wahltag für uns zu den Urnen zu gehen.

Außerhalb der Wahlkämpfe muss dagegen die dialogische Überzeugungsarbeit im Vordergrund stehen. Das bedeutet – wenig innovativ – das geduldige Zuhören und selbstbewusste Erklären und Begründen der eigenen Politik. Aber das das ganze Jahr die Wählerinnen und Wähler mit steilen Thesen vor den Kopf zu stoßen, um dann drei Monate vor der Wahl auf Dialogwahlkampf und möglichst wenig Angriffsfläche zu setzen: Das funktioniert in der Tendenz eher nicht.

4. Personen transportieren Politik oft besser als Flugblätter

Personen spielen eine große Rolle für die Wahlentscheidung – gerade dort wo es keine wahlentscheidenden Themen gibt. Sie sind gewissermaßen die „Beziehungsebene“ in der politischen Kommunikation. Es ist kein Zufall, dass in westlichen politischen Systemen Personen eine so große Rolle spielen – bis hin zum persönlichen Mandat.

Der kommunikative Nutzen von Personen ist groß: Sie verkörpern – gut profiliert – eine Grundrichtung der Politik und ermöglichen Wahlentscheidungen ohne Kenntnis programmatischer Einzelheiten – mit allen Problemen, die ein unredlicher Gebrauch dieses Instruments mit sich bringt. Für uns GRÜNE ist Personalisierung eine bisher zu wenig genutzte Ressource. Das gilt vor allem für glaubwürdige und kompetente GRÜNE Politiker vor Ort.

Wir GRÜNE haben traditionell ein kritisches Verhältnis zu Personen und zur Personalisierung. Wir betrachten starke Personen tendenziell als vor-demokratisches Relikt und Gefahr für die innerparteiliche Basisdemokratie. Man kann das mit guten demokratietheoretischen Gründen allerdings auch anders sehen: Nur Personen können im ethischen Sinn Träger von Verantwortung sein. In anonymen Gruppen, in Mengen und Massen ist niemand verantwortlich, was am Ende passiert.

5. Konflikt ist Trumpf

Eine Verwaltung arbeitet dann gut, wenn sie möglichst geräuschlos und ohne größere Konflikte ihre Agenda umsetzt. In der Politik ist es tendenziell genau andersherum: Konflikt ist die Voraussetzung dafür, dass politische Willensbildung überhaupt stattfindet. Die Funktion von Parteipolitik in einer demokratischen Ordnung ist es, Orientierung zu geben und eine (Wahl-)Entscheidung zu ermöglichen. Erst in der Auseinandersetzung wird ein Thema (oder auch mal eine Person) zum Thema, für dass sie das politische Interesse lohnt. Der Kampf gegen Umgehungsstraßen im OV Untereichsfeld ist ein gutes Beispiel dafür, dass Konflikt mobilisiert – auch wenn man am Ende wenig Erfolgsaussichten hat. Genauso hat unser – erfolgreicher – Kampf gegen den Golfplatz südlich von Geismar unser GRÜNES Profil geschärft. Positiver Effekt am Wahltag: Strittige Themen sind gute Gründe, wählen zu gehen.

Wichtig ist allerdings, dass es sich nicht um inszenierte Scheinkonflikte handelt, hinter denen gar keine echten Auseinandersetzung steht. Ein Kindergartenstreit um den besten Platz im Sandkasten bewirkt eben nicht , dass politische Alternativen deutlich werden, sondern nur dass PolitikerInnen genau so ernst genommen werden wie Kindergartenkinder.

6. Themen müssen konkret und wichtig sein – nicht nur für uns

Unser Anspruch ist, „Inhalte“ ins Zentrum unserer Politik zu setzen. Wenn das bedeutet, möglichst lange und reichlich akademische Leitanträge und Wahlprogramme zu formulieren, bringt uns das an der Urne aber nicht weiter. Warum sollte jemand uns wählen, weil wir abstrakt für die Energiewende, für sozialen Wohnungsbau und für Inklusion sind? Das sind alle anderen grundsätzlich auch.

Darum müssen wir – vor allem im Wahlkampf – Themen auch über unsere Programmlyrik und Grundsatzpositionen hinaus setzen – möglichst konkret und eine klare Positionierung ermöglichend (Orientierungsfunktion!). Wenn es darum geht, ob Energiewende auch bedeutet, den Autoverkehr aus der Innenstadt zurückzudrängen, wird es spannend. Wenn die Frage ist, ob Wohnungsbau auf der „Grünen Wiese“ am Rand der Stadt oder auf bereits genutzten Geländen mitten in der Stadt stattfinden soll, ist da Musik drin. Konkretion schafft Unterscheidbarkeit und ermöglich damit die Entscheidung.

Der Konflikt um Themen vermittelt, dass es bei der Wahl „um etwas geht“ und dass es sich lohnt, wählen zu gehen. Freilich rufen Konfliktthemen auch Widerspruch hervor. Sie können auch auf der Gegenseite mobilisieren. Absolute „Außenseiterthemen“ bergen hier die größten Risiken – aber auch große Chancen, wenn wir uns sicher sind, in der Sache richtig zu liegen.

7. Dranbleiben lohnt sich

Wenn wir es schaffen, konkrete Themen zu setzen, am besten verknüpft mit Personen, idealerweise ein pointiertes Positionspapier mit klarer Haltung zu beschließen, dann heißt es: Dranbleiben! Es ist ein grober Fehler, ein kontroverses Thema anzuschneiden und es dann nicht weiter zu verfolgen. Bei den vielen intuitiv ablehnenden Personen bleibt nur hängen, dass die GRÜNEN mal wieder etwas Absurdes gefordert hätten. Und bei jenen, die wir hätten überzeugen können oder die unsere Forderung sogar besonders gut fanden, bleibt gar nix hängen. Und darauf, dass unsere politischen Gegner das Thema weiterspielen, wenn es ihnen nützt, können wir uns verlassen.

Darum muss ein einmal angerissenes Thema zu Ende gespielt werden – mit mehr als einer Pressemeldung, mit Aktionen, in Reden, in Flyern und Veranstaltungen. Immer wieder auch wenn es uns schon lange zu den Ohren raushängt. Im Wahlkampf bedeutet das auch: Konkrete (!) Themenplakate und Themenflyer, die genau eine politische Forderung zum Inhalt haben, sind wichtiger als das, was wir bisher als Themenplakate bezeichnen und was eigentlich besser „Politikfeldplakate“ heissen sollte.

Wir dürfen uns bei Gegenwind nicht in unser Schneckenhaus zurückziehen und ein Thema nur darum wieder fallenlassen, weil unsere politischen Gegner gegen uns sind. Wenn wir in der Sache richtig liegen, dann ist Gegenwind das Beste, was uns passieren kann.